Das nächste Mal machst Du es besser

Viele schmerzhafte Probleme entstehen, weil wir vorher nicht genug nachgedacht haben. Mir ist das jedenfalls schon oft passiert. Und hinterher hab ich zu mir gesagt:

„Hmm, da hast Du nicht wirklich gedacht. Das machst Du das nächste Mal besser!“

 

Ein einfaches Beispiel ist vielleicht die Urlaubsplanung. Wenn wir hier vorher darüber nachdenken, was wir alles brauchen, wie können wir uns unangenehme Überraschungen ersparen.

 

Andere Beispiele: Wenn wir uns in einem Verein für eine Aufgabe verpflichten, ohne vorher über die Konsequenzen nachzudenken, oder wenn wir uns selbstständig machen, ohne vorher die eigenen Erfolgschancen kalkuliert zu haben. Denn Kalkulation ist ja auch nur Nachdenken, nur eben mit Zahlen.

 

Nachdenken erspart oft Leid und unnötige Doppelarbeit.

 

Nachdenken ist aber kein Allheilmittel

 

Wir können durch Nachdenken sicher nicht jedes Problem verhindern. Dazu ist die Welt zu komplex und die Zukunft zu unabsehbar. Aber wir können durch vorausschauendes, langfristiges Denken die Risiken vermindern, dass etwas schief geht.

Warum benutzen wir Menschen eigentlich so selten unseren Kopf, wenn es angebracht wäre? Ein Grund könnte sein, dass wir es in der Schule nie gelernt und geübt haben.

„Kritisches Nachdenken“ finden wir ganz selten im Lehrplan, was ich extrem schade finde. Zum Glück kann man Nachdenken üben. Einfach, indem man es regelmäßig tut.

 

Nachdenken ist gar nicht schwer

Im Grunde ist Nachdenken ziemlich einfach. Wir müssen uns nur selbst einen Moment ruhig hinsetzen und uns einige Fragen stellen. Am besten sogar mit Bleistift und Papier.

 

Wenn ich in den Urlaub fahren will, dann setze ich mich vorher hin und frage mich einfach schriftlich:

 

Was wirst du dort in diesem Land brauchen? Was für die Anreise? Was um überhaupt ins Land zu kommen? Was für die Hygiene? Was für die Sicherheit? Was für die Kinder? Was für unsere Unterhaltung? Was für gutes Wetter und für schlechtes Wetter? Welche Faktoren spielen noch eine Rolle? Wo finde ich eine Liste mit typischen Dingen, die man im Urlaub braucht?

 

Dann schreibe ich die Antworten auf. Manchmal merke ich, dass ich die Antworten auf meine Fragen nicht kenne, dann muss ich recherchieren oder jemanden fragen, aber im Prozess des Nachdenkens merke ich überhaupt erst einmal, was ich noch nicht bedacht habe, oder wo mir noch Informationen fehlen.

Das klingt eigentlich trivial. Ist es auch. Der Trick ist, wie bei so Vielem:

  • Wir müssen daran denken, ES in den notwendigen Situationen zu TUN, und
  • Wir müssen ES dann auch wirklich MACHEN.

Es gilt also im Alltag ganz oft, innezuhalten und zu sich zu sagen:

Halt! Stopp! Denk nach: Was willst Du erreichen? Was sind die Risiken? Welche Faktoren spielen hier eine Rolle?

Ein Beispiel für notwendiges Nachdenken

In meiner Praxis fällt mir immer wieder auf, dass viele Menschen nie gelernt haben, systematisch nachzudenken. Ein Klient, der es nicht leicht hat, sich im mittleren Alter befindet, zwei kleine Kinder hat, bekommt das Mindesteinkommen und hat einen heftigen Rucksack aus seiner Kindheit zu tragen.

 

Da sagt sein Berater im Jobcenter:

Wissen Sie, Herr T., für Sie lohnt es sich doch gar nicht, in Ihrem alten Job zu arbeiten. Dort würden Sie ja weniger verdienen als mit der Mindestsicherung.“

 

Das mag zwar faktisch richtig sein. Aber erst einmal zerstört der Jobcenter-Berater durch solche Aussagen den Glauben an eine bessere Zukunft für meinen Klienten, aber noch wichtiger: Diese Aussage ist nicht nachhaltig gedacht!

 

Also wäre es gut, wenn wir uns einmal hinsetzten und Vor- und Nachteile genau auf Nachhaltigkeit überprüften.

 

Soll ich einen Job annehmen, auch wenn es sich „eigentlich“ nicht lohnt?

 

Eine andere Frage, die wir uns stellen könnten, wäre vielleicht:

 

Was bekomme ich noch außer dem Lohn, wenn ich in meinem alten Job oder in einem anderen Geringverdienerjob wieder arbeite?

Antworten auf diese Frage könnten sein:

  • Mein Selbstwert und Selbstvertrauen steigt, weil ich wieder eine Aufgabe habe und mich nützlich fühle.
  • Ich komme wieder in Aktion, ich werde aktiv, ich tue etwas, ich nehme mein Leben wieder selbst in die Hand.
  • Ich bekomme die Chance, zu zeigen, was ich kann, meine ChefIn von mir zu überzeugen und dann eventuell einen besser bezahlten Job zu bekommen.
  • Ich bekomme zusätzliche Erfahrungen und lerne dazu. Damit steigere ich meinen Wert auf dem Arbeitsmarkt.
  • Ich lerne neue Menschen kennen und erweitere so mein Netzwerk. Und damit auch meine Chancen, einen anderen, besser bezahlten Job zu bekommen. Denn oft hilft es, hier jemanden zu kennen, der jemanden kennt …
  • Ich bin ein Vorbild für meine Kinder. Ich zeige ihnen, dass es sich lohnt, sich beruflich zu engagieren, auch wenn der finanzielle Erfolg manchmal auf sich warten lässt.

Was könne Risiken und Nebenwirkungen sein?

Zum kritischen Nachdenken gehört es auch, nach den Risiken zu fragen. Also:

 

Was wären mögliche Risiken, wenn ich einen Job annehme, bei dem ich nur sehr wenig Geld verdiene?

 

Eine mögliche Antwort wäre: Ich muss aufpassen, dass der neue Job, was die oben genannten Vorteile angeht, auch wirklich ein passendes Sprungbrett ist. Also, dass es nicht nur ein Job ist, in dem Geringverdiener ausgenutzt werden, was ja heute leider oft der Fall ist. Es ist also wichtig, dass ich im neuen Job etwas lernen und mich weiterentwickeln kann, so dass ich neue Leute kennenlerne, und dass es im Unternehmen Aufstiegschancen gibt, sonst müsste ich eben einen anderen Job suchen, der mich weiterbringen kann.

 

Der Beginn ist beim Nachdenken das Wichtigste!

Vielleicht kommen wir nicht gleich selbst auf solche Antworten, wie oben im Beispiel skizziert. Gerade wenn wir emotional und vom Selbstvertrauen her am Boden sind. Was ja nicht selten so ist, wenn wir in diese Spirale reingerutscht sind.

 

Es ist beim Nachdenken auch nicht das Wichtigste, die besten Antworten zu finden. Viel wichtiger ist es, überhaupt erst eine Frage zu formulieren und sich auf den Weg zu machen, Antworten zu finden.

 

Bei den Antworten können dann Freunde, Bekannte, Ärzte, Beratungsstellen oder Internetseiten weiter helfen.

Es ist meine Verantwortung, mit dem Nachdenken zu beginnen. Denn die Qualität meines Lebens hängt davon ab, wie gut ich über mich, mein Leben, meine Ziele, meine Möglichkeiten und meine Zukunft nachdenke.

 

Fangen wir mit einer Frage an …

Zum Beispiel mit:

  • Wer ist für mein Lebensglück verantwortlich?
  • Schuldet mir das Leben etwas?
  • Was möchte ich vom Leben? Was bin ich bereit, dafür zu geben?
  • Was nutzt es mir kurzfristig, wenn ich mich über das unfaire System aufrege? Ändere ich damit etwas? Oder könnte ich meine Energie nicht auch produktiver verwenden? (Natürlich kann längerfristiger Protest und Engagement sinnvoll sein, wenn sich etwas ändern soll.)
  • Was kann ICH tun, um meine Situation zu verbessern? Wer kann mir dabei helfen?
  • Wie kann ich anderen dabei helfen, mir zu helfen?
  • Was kann ich anderen dafür geben, dass sie mir helfen?
  • Was ist das größte Hindernis, das in meinem Einflussbereich liegt, das zwischen mir und meinen Wünschen und Zielen steht?

Nachdenken lohnt sich:

Es hilft, aus den eigenen Erfahrungen zu lernen und die gleichen Fehler nicht immer wieder zu machen.

 

Es hilft, aus den Erfahrungen der anderen zu lernen, indem ich andere zu meiner Fragestellung befrage.

Unser Kopf ist ein mächtiges Werkzeug, wenn man ihn nutzt!

Ich persönlich denke noch viel zu selten über wichtige Dinge nach. Aber ich gebe mir große Mühe, meinen Kopf noch öfter einzusetzen.

 

Und Sie?